Samstagmorgens (29.08.2015) es ist 2:15 Uhr und mein Handy weckt mich, ich bin völlig schlaftrunken und mir fehlt die Orientierung, was, wer, wie, wo…. Ach ja, wir befinden uns in Antholz, Südtirol und Cindy will heute 11 Gipfel bezwingen. Die 11 Gipfel-Tour fand dieses Jahr zum dritten Mal statt und Traumwetter wurde vorausgesagt.

Ich brauchte ein paar Minuten, um in die Gänge zu kommen, ich hatte schlecht geschlafen und vor allem zu kurz, ständig wachte ich auf, der Start in den Tag hätte besser sein müssen, Lust verspürte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine. Meine Freundinnen und ich trafen uns zu einem Kaffee und einem Croissant in der Lobby unseres Übernachtungshotel (Vierbrunnenhof). Um Punkt 3:05 Uhr wurden wir von einem organisierten Shuttle abgeholt und zum Startpunkt Oberasen gefahren. Dort trafen wir auf etwas mehr als 200 „gutgelaunte“ Teilnehmer, die 11 Gipfel-Tour war im Übrigen ausverkauft. Vor Ort meldeten wir uns an. Wir bekamen einen Stempelpass, eine Startnummer sowie ein paar Kekse und Äpfel. Ein kleiner Hinweis, bei dieser Tour handelt es sich um keine Wettkampfveranstaltung, Spaß, Vorfreude und Genießen stehen im Vordergrund, jeder nach seinem persönlichem Können, lediglich zeitliche Cutoffs an diversen Kontrollpunkten mussten erreicht werden, um die komplette Wanderung durchzulaufen.

Meine Freundin Monika schien ein bisschen bedrückt zu sein, deshalb fragte ich sie, „hast du ein Problem?“ da meinte sie nur kurz und knapp „11 Gipfel“, beide kicherten wir. Mittlerweile war ich dann auch ziemlich aufgeregt.

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Ausgeschrieben wurde die Tour als „eine einsame Grenzwanderung von Gipfel zu Gipfel – die meisten ohne klingende Namen und doch beeindruckend – zwischen dem Antholzer- und dem Gsiesertal“. Ich war mir nicht sicher, was eigentlich auf mich zukommen würde, die Daten von 28,8 km / 2800 HM rauf / 2250 HM runter hörten sich für mich interessant an. Angemeldet zu dieser Tour hatte ich mich spontan, weil mir die Bilder aus 2014, welche ein Freund über Facebook teilte, einmalig fand und ich da unbedingt teilnehmen wollte.

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Um 3.30 Uhr fiel der Startschuss, meine Wegbegleiter und ich standen vorne und wir marschierten schnellen Schrittes hinein ins Vergnügen, Ziel war Gipfel 1 vor Sonnenaufgang um 6:26 Uhr und nach 1400 HM zu erreichen. Unser Tempo war ziemlich hoch und das Teilnehmerfeld zog sich schnell auseinander, begleitet wurden wir von Orion, Vollmond und ich nach zwei Kilometern von zwei netten Blasen an den Fersen. Mein Kumpel Tom gab mir Pflaster, um die Wunden abzukleben, dabei verloren wir allerdings die anderen und hinter uns war weit und breit niemand zu sehen. Wir liefen erst mal einsam mit Stirnlampe im Dunklen weiter, der Mond schien rötlich, gross und wunderschön. Bald kam auch der Umriss des ersten Gipfel, des Rudlhorn, in Sicht und eine lange helle Schlange von Stirnlampen trottete ihm im zick-zack entgegen, total coole Stimmung herrschte in diesem Moment.

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  • 01) Rudlhorn (2.448 m)

Ohne viel gegessen zu haben, gestaltete sich der Anstieg ein wenig anstrengend, es wurde immer heller, aber wir erreichten das Gipfelkreuz kurz vor Sonnenaufgang, ich war mega glücklich, mein erster Sonnenaufgang auf einem Berg stand mir bevor und ich schüttete erst mal eine Menge Glückshormone aus.

Angekommen, Selfie schiessen, freuen, staunen, ein weiteres Selfie schiessen, träumen, ein Gruppenbild machen, einen Kaffee trinken, ach das will ich wieder, unglaublich, unbeschreiblich, für mich das Highlight des Tages. Nach einiger Zeit musste ich allerdings erst mal meine Fersen verarzten, es hatten sich schon schmerzhafte Blasen entwickelt, welche ich nun mit Blasenpflaster versah und zusätzlich tapte. Ich holte mir meinen ersten Stempel stolz ab und wir machten uns schon weiter auf den Weg zum Eisatz.

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  • 02) Eisatz (2.493 m)
  • 03) Million (2.435 m)

Begleitet wurden wir unterwegs von einer frechen Bergziegengruppe, die uns mächtig auf Trab hielt und noch versuchte den zweiten Gipfel zu erstürmen auf der Suche nach Futter. Gipfel 3 der Million erreichten wir dann auch ziemlich schnell. Es war jetzt schon eine richtige Gewohnheit, ankommen und erst mal den Stempelpass herausholen, eine Art Jagd, jeder neue Stempel freute mich enorm. An jedem Gipfel wurde anhand der Startnummer zusätzlich geprüft, welche Teilnehmer den Gipfel erreicht hatten und entsprechend auf einer Liste abgehakt.

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  • 04) Frisiberg (2.538 m)

Richtung Frisiberg wurde das Gelände schwieriger und man musste über Steinblöcke auf und ab kraxeln. Ein bisschen Mut erforderte es, meine Augen hielt ich fortan immer mehr auf dem Boden. Ein wenig Unsicherheit begleitete mich, Spaß machte es trotzdem. Orangene Markierungen zeigten den Teilnehmern eine vorgeschlagenen Route, welche wir zumeist auch folgten. Am Gipfel wurden wir mit Posaunenklängen begrüßt und man sagte uns die ersten 14 km seien geschafft. Ich war erstaunt und rechnete mir eine Ankunft nicht später als 16 Uhr aus. Ich fragte in welcher Richtung das Ziel sei, folgend des Zeigefingers eines Helfers in die Ferne, folgte ein kleiner Dämpfer, eine unglaubliche bevorstehende Weite erschien vor mir.

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  • 05) Amperspitze (2.687 m)

Den Frisiberg hinter uns lassend ging es erst mal abwärts bevor wir wieder einen steilen Anstieg zur Amperspitze hoch mussten, das demotivierte ein bisschen, es war mittlerweile ziemlich heiß, meine Füße schmerzten und wir befanden uns im hinteren Teilnehmerfeld. Oben trafen wir die Jungs unserer Gruppe wieder und Thomas die Gipfelbetreuung (der Hotelwirt unseres Hotels Vierbrunnenhof) hiess mich mit Bergheil und drei Bussis willkommen. Dort in der Höhe war eine lustige Stimmung, es wurde sogar getanzt. Der Abstieg zur Verpflegungsstelle am Ampertörl war steinig, uneben und erforderte Ausdauer sowie Trittsicherheit. Wir erreichten die Zwischenstation, welche auch als zeitliche Kontrollstelle fungierte ca eine halbe Stunde vor Cut-off um 11:30 Uhr, wer diese Zeit nicht erreichte, dem wurde empfohlen den Abstieg zu machen. Irgendwie vermutete ich schon, dass an meiner Berechnung das Ziel bis 16 Uhr zu erreichen, irgendetwas nicht stimmte.

Wir legten eine etwas längere Pause ein, wir aßen, füllten unsere Trinkrucksäcke mit Wasser und ich verband meine Fersen neu und nun auch meine großen Zehen, da bildeten sich mittlerweile auch schon Blasen. Wir unterhielten uns hier auch mit Günther dem Initiator und Organisator der 11 Gipfel-Tour, das ganze Ambiente war sehr freundlich und offen. Man kam während der Tour mit allen sehr schnell ins Gespräch.

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  • 06) Karl (2.490 m)
  • 07) Ochsenfelder (2.609 m)
  • 08) Napfl (2.428 m)
  • 09) Knebelstein (2.494m)

Die nächsten Gipfel erreichten wir ziemlich einen nach dem anderen, mein Gipfelpass füllte sich rapide, dennoch meine Beine wurden schon schwerer. Am lustigsten war es auf dem Napf mit Siggi und Ludwig, hier machten wir auch eine längere Rast, Stefan, mein Begleiter musste nun auch seine Füße mit Pflaster bekleben und ich wechselte endlich mal in eine kurze Hose und ein luftigeres Shirt. Mit Siggi mussten wir noch ein Likörchen trinken. Hilfsbereit nahm er mir ein paar Sachen ab und erleichterte mir somit den weiteren Weg. Die Hilfsbereitschaft aller Helfer war beeindruckend.

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  • 10) Höllensteinspitze (2.755 m)

Die Felskraxelei zum 10. Gipfel, der Höllensteinspitze brachte mich allerdings letztendlich an meine Grenzen, meine Beine zitterten, ich war der Aufgabe nahe. An manchen Stellen waren meine Beine zu kurz und die langen Schritten kräftezerrend. Einige Male rutschten kleinere Steinbrocken weg und versetzen mir immer wieder einen Schreck. Ich hatte das Gefühl ich komme nie an, ein Zurück gab es nicht mehr, da wir mittlerweile zu weit waren. Ausstiege waren nach dem 5. / 7. und 9. Gipfel möglich.

Nach Erreichen des 10. Gipfels war ich regelrecht geplättet, aber auch glücklich den „Hügel“ erreicht zu haben, vor lauter Glück ließ ich mir nicht nur den 10. Stempel in mein Stempelpass geben, sondern ließ mir 10 weitere auf meinen Armen stempeln. Ihr versteht mich, einen kleinen Erfolg feiern 😉

Die Stimmung der Helfer und auch Bergwacht, welche mittlerweile an unseren Füssen klebten und als eine Art Kehrdienst agierte, war heiter, sicherlich auch wegen der Schnäpschen, welche man nun an jedem Gipfel reichlich angeboten bekam und auch trank. Es wurde gesungen und posaunt und gelacht. Wenn es mir besser gegangen wäre, hätte man die Party in vollen Zügen auskosten können. Toll fand ich die Idee, dass alle Teilnehmer, welche die Höllensteinspitze erreicht haben, auf einer riesigen Leinwand unterschreiben sollten, ich unterschrieb direkt mal neben dem Schnellsten.

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  • 11) Rotwand (2.818 m)

Die Rotwand, weil die Felsen rötlich schimmern auf 2818 m sollte nun der letzte Gipfel werden. Ich ätzte mir meinen Weg nach oben, die Bergwacht lustig hinter mir, wollte und durfte mich nicht überholen, machte immer wieder Pausen, während ich langsam und gleichmäßig hochstiefelte, dem letzten Likörchen entgegen. Meine Gedanken drehten sich um 11 Gipfel, je näher ich der Rotwandspitze kam, umso mehr Stolz kam in mir auf, völlig unterschätzt hatte ich die Tour, einige Male wollte ich einfach nur stehen bleiben und nicht mehr weiter. Oben angekommen, empfand ich nur noch Freude und Erleichterung, der Ausblick war fabelhaft und ich war einfach nur glücklich.

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Der Abstieg war lang, länger, am längsten, viel Geröll und bald auch wieder schattigere Stellen. Aber auch ich kam irgendwann mit kurzen und langsamen Schritten zum Antholzer See, dem Ziel dieser für mich außergewöhnlichen und spannenden Wandertour um ca 19 Uhr, im Übrigen war ich nicht mehr die Letzte, weil einige Helfer und Teilnehmer an der letzten Hütte noch ein Bierchen zischten und ausgelassen feierten.

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Hätte man mich am Abend gefragt, sehen wir uns nächstes Jahr wieder? Ich hätte sofort verneint, mittlerweile plane ich mit meinen Freundinnen bei der Tour doch wieder in 2016 dabei zu sein, mit dem Wissen was auf mich zukommt, werde ich mehr genießen können und vor allem mit einer optimalen Vorbereitung und bestem Equipment kann es nur zum Erfolg führen. Ich möchte mich hiermit nochmals bei den Organisatoren (Günther und Ingrid) und all den lieben Helfern für eine atemberaubend tolle Tour, viel Motivation und Unterstützung bedanken, ihr seid mega spitzenklasse und ich freue mich auf 2016!

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Einige Fotos von PEAK ART IMAGES, Munich