Ein Abenteuer am Limit: Spartan World Championships
Meinen Vorbericht zu diesem einzigartigen Event könnt ihr hier lesen: The Spartan World Championships
Die Reise beginnt: Anreise und erste Eindrücke
Meine Anreise nach Lake Tahoe war voller Aufregung. Am 30.09.2015 stand ich um 3 Uhr morgens stand ich auf, um 27 Stunden später (von München, über Paris und San Francisco) im Granlibakken in Tahoe City anzukommen – meiner Unterkunft für die nächsten vier Tage. Im Flugzeug lernte ich zwei coole Typen, Christian und Michael, kennen, mit denen ich einige lustige Erlebnisse teilte. Christian war ebenfalls auf dem Weg nach Lake Tahoe, um am Ultra Beast (Marathondistanz) teilzunehmen.
Die zwei Tage vor dem Event nutze ich, um runterzukommen, Kraft zu tanken und den Jetlag einigermaßen in den Griff zu bekommen. Dabei konnte ich die Zeit genießen und erlebte unter anderem einen wunderschönen Sonnenaufgang.
Kampf gegen die Kälte: Der Morgen des Rennens
Aber der Tag der World Championships rückte schnell näher und am Morgen des Rennens (03.10.2015) lief bei mir erst einmal nicht viel. Bei Temperaturen knapp über 0 Grad fror ich regelrecht. Es war so ungemein eisig. Ich war im “Mimimi-Modus” und hatte Respekt vor dem, was mir bevorstand. Zum Glück ließ ich mich bei meiner Kleidung nicht verunsichern und entschied mich für ein langes Thermoshirt, während andere im Sport-BH, Tanktop oder sogar ohne Shirt starteten. Bbbrrrr.
Das Event fand in Squaw Valley statt, einem bekannten Skigebiet und dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1960. Allein das machte die Atmosphäre schon besonders.
Und dann begann das Abenteuer: Spartan World Championships
Eine Strecke von etwa 24 km, 37 Hindernisse, rund 1400 Höhenmeter – und das alles allein, weit weg von Europa. Was hatte ich mir da nur eingebrockt?
Bei den World Championships gingen knapp über 400 Teilnehmer an den Start, Männer und Frauen getrennt, wobei die Männer auch zuerst starteten. Die Favoriten – teils bekannte Gesichter aus der Szene – wurden namentlich aufgerufen und stellten sich in der ersten Reihe auf. Eine spannende Mischung: Die Elite aus der ganzen Welt und man konnte den Ehrgeiz, den Willen und die Motivation förmlich spüren. Mit etwas Verspätung fiel der Startschuss kurz nach 8 Uhr. Unter den Zuschauern hörte ich plötzlich meinen Namen #Cindygo und realisierte, dass ich gemeint war. Eine nette Amerikanerin, die mir zuvor als Fotografin zur Seite stand, jubelte mir zu. Das war ein echter Motivationsschub.
Die Profis legten sofort ein rasantes Tempo vor – hui, alter Schwede. Damit konnte ich natürlich nicht mithalten. Mein Ziel war es, einfach durchzukommen und wenn möglich unter 6 Stunden zu bleiben. Mal sehen, ob das klappen würde.
Schon kurz darauf standen die ersten Wände und Wasserhindernisse an. Mein erster Fluch ließ nicht lange auf sich warten, als ich – immer noch bibbernd von der morgendlichen Kälte – direkt ins eiskalte Wasser musste. Herrlich… bääähh. Die anschließenden Trails waren schmal und steinig und erste kleine Anstiege forderten bereits Kraft. Nach den ersten Hindernissen wurde der Anstieg dann schnell steiler und führte bis auf eine Höhe von knapp 2800 Metern. Doch die größere Herausforderung waren definitiv die Hindernisse – die waren teils überhaupt nicht mit den europäischen vergleichbar und blieben eine harte Nuss.
Hindernis für Hindernis: Eine Herausforderung nach der anderen
Monkebars (Klettergerüst)
Wer mir auf Instagram folgt, weiß, dass ich dafür hart geübt und gelitten habe – und es geschafft habe. Doch die Variante vor Ort war eine andere Liga, gefühlt schaffte es nur jede achte Läuferin. Für mich waren die Abstände zwischen den Standen einfach zu weit und dann auch noch unterschiedlich hoch. Am Ende hieß es: 30 Burpees und weitertrainieren.
Hercules Hoist (Gewicht über Seilsystem/Zugseil)
In Amerika gilt anscheinend das Motto: weiter, höher, schwerer. Ganz klarer Fall nix für kleine Cindys und kaum eine Chance diese Hindernis zu schaffen. Ich hing mich mit meinem ganzen Gewicht ins Seil und wäre fast selbst nach oben gezogen worden. Das Zielgewicht von rund 45 kg war für mich unerreichbar. Ein guter Anlass enttäuscht zu sein. Gut war, dass ich nicht die Einzige war, die auch bei diesem Hindernis wieder 30 Burpees absolvieren musste.
Log Carry (Holz tragen)
Ein riesiges Stück Holz musste eine Anhöhe hinauf und wieder hinuntergeschleppt werden. Die Last war nicht nur verdammt schwer, sondern auch durch den Umfang schwer zu tragen. In kleinen Schritten kämpfte ich mich bergauf- und zurück. Es verging gefühlt eine Ewigkeit.
Lake Swim (Schwimmen durch einen Bergsee)
Dieser “Badeausflug” war das Kälteste, was ich je erlebt habe und raubte mir die letzten Kräfte. Als Elite-Läuferin war das Schwimmen Pflicht, und die Kälte zerrte enorm an mir. Durchgefroren lief ich weiter, während in der Höhe der Wind mein Kälteempfinden zusätzlich verschärfte.
Barbwire Crawl (Stacheldrachtkriechen)
Jetzt wurde es richtig dreckig. Im Vergleich zu den europäischen Rennen, bei denen es 50 bis 100 Meter Stacheldraht gibt, hatten wir hier sechs Abschnitte – immer wieder unterbrochen von Wänden, die es zu überklettern galt. Ein unendlicher Kraftakt, besonders mit Händen, die immer noch vom See durchgefroren waren.
Duck Wall
Eine fiese Überraschung! Durchgefroren und mit Wadenkrämpfen von den vorherigen Hindernissen mussten wir unter einer Wand durch eiskaltes Wasser durchtauchen. Ich fragte zweimal, ob es wirklich darunter durchgehen sollte und bekam nur ein “Yes, yes… “. Ein echter Test für meine Leidensfähigkeit.
Atlas Stone (Betonkugel tragen)
Eine riesige Betonkugel musste zehn Meter getragen, fünf Burpees gemacht und dann zurück zum Ausgangspunkt gebracht werden. Schon das Aufheben der Kugel war eine fast unmögliche Aufgabe, die ich nur mit Geduld und Selbstzuredung schaffte. Ein paar Gramm mehr hätte ich sicher nicht mehr geschafft.
Tyrolean Traverse (Hangeln über ein Seil)
Mein Angsthindernis. In Europa hatte ich das noch nie gemacht und dachte nach den ersten YouTube Videos: “Das wird 30 Burpess kosten.” Vor der Abreise holte ich mir Tipps – etwa, ein Bein als Pendel zu nutzen. Doch vor Ort kam alles anders. Ein Helfer redete mir Mut zu, wie in einem Bootcamp: “You are strong, go, go, you are a champion!” Langsam bewegte ich mich auf dem Seil vorwärts, erschöpft und mit zittrigen Armen. Als ich endlich die Glocke berührte, war ich am Ende meiner Kräfte. Ein anderer Läufer half mir vom Seil und ich hatte Tränen in den Augen – stolz, diesen kleinen mentalen Kampf gewonnen zu haben. Dafür konnte ich beim anschließenden Speerwurf, wie erwartet nicht treffen.
Bucket Brigade (Eimer Erde tragen)
Schon fast im Ziel, dachte ich, das Schlimmste wäre überstanden – bis der Bucket Brigade kam. Wir mussten einen Eimer mit Erde und Steinen füllen, sodass die Löcher im Eimer nicht sichtbar waren und ihn eine Anhöhe hinauf und auch wieder hinuntertragen. Die Eimer waren so schwer, dass ich nur wenige Meter laufen konnte, bevor ich pausieren musste. Eine Läuferin vor mir saß lächelnd auf ihrem Eimer und meinte: “This is the best place to watch people suffering” – und sie hatte absolut recht. Wer den Eimer nicht voll genug hatte und durch das Absetzen Erde verlor, wurde zur Strafrunde geschickt, was leider auch einige traf.
The Rig (Klettergerüst)
Das letzte Hindernis war eine „Burpees Zone“. Das lange Klettergerüst mit Stangen, Seilen und Ringen ließ kaum Kraft für den Endspurt übrig. Die Zuschauer jubelten nur in langen Abständen – die meisten scheiterten hier. Nach weiteren 30 Burpees überquerte ich erschöpft die Ziellinie, schnappte mir eine Banane und einen Riegel und ließ mich in der Sonne nieder, vollkommen erledigt, aber dennoch glücklich.
Danke, Spartan World Championships – eine unvergessliche Erfahrung
Immer wieder liefen begeisterte Läufer an mir vorbei, klatschten ab und riefen: “Good job” oder “Great” – Ihre Energie war ansteckend und so fand auch ich mein Lächeln wieder. Im Ziel überkam mich ein Glücksgefühl, das kaum in Worte zu fassen ist und als ich schließlich meine Zeit sah, konnte ich es kaum glauben. Ich blieb unter meinen Erwartungen mit 05:47:55 Stunden. Ein Freudenschreib – kein Grund zur Klage mehr, alle Schmerzen und Qualen waren schon vergessen. Danke, Spartan World Championships! Du hast mich an meine Grenzen gebracht und darüber hinaus. Eine wahnsinnige Erfahrung und ein Rennen, das einfach nur krass war.
Bilder: Spartan Race